'So alleingelassen war noch keine Jugend wie diese',
könnte man, um in der Sprache des Stückes zu bleiben,
über Friedrich Ch. Zauners allererstes Bühnenwerk "Spuk"
schreiben. Zwei vierzehnjährige Mädchen, Freundinnen,
werden von ihren Eltern alleingelassen, allein mit ihrem Bedürfnis
nach Liebe, Zärtlichkeit, allein auch in ihren sexuellen
Nöten.
Kinder aus gutem Haus, die brav englische Vokabeln büffeln,
solange bis die Eltern abends das Haus verlassen, um irgendeine
Party zu besuchen. Dann allerdings ist der Teufel los. Die Mädchen
hören schräge Platten, tanzen, balgen sich, umschmeicheln
die einfältige Haushälterin und knöpfen ihr Geld
ab, um sich, wie sie behaupten, LSD dafür zu kaufen. Sie
treiben ihren Schabernack mit dem verkrüppelten Sohn dieser
Frau und bringen ihn dazu, sich zu betrinken. Mit Routine praktizieren
sie ihr oft geübtes 'Telefonspielchen', wobei sie wildfremde
Männer anrufen und sie zu sich einladen, weil sie 'ja so
allein seien'. Als dann wirklich einer kommt, ist dieser vollkommen
wehr- und hilflos der Raffinesse der Mädchen ausgeliefert.
Es sind lüsterne kleine Biester, die ihre sexuelle Anziehungskraft
erkunden wollen und trotzdem immer noch Kinder, die angstvoll
aufschreien, sowie aus dem Spiel Ernst zu werden droht.
'So verrückt war noch keine Jugend wie diese', heißt
es da einmal im Stück.
Wenn die Eltern morgens zurückkommen, sind sie wieder die
'braven Kinder', die 'guten Mädchen', die 'Ordnung halten'
und 'alles wieder sauber machen'. Der Spuk ist zu Ende. Die Frage,
ob wirklich 'alles wieder gut' sei, läßt der Autor
offen. Im Verlauf des Stückes hat eins der Mädchen von
einem Selbstmordversuch erzählt, der eindeutig darauf abzielte,
die Zuwendung der Eltern zu erringen.
Zauner zeigt eine alleingelassene Jugend, die
nicht anklagt, der es materiell gut geht, die sich im allgemeinen
auch recht wohl zu fühlen scheint. Frühreif, brutal,
eiskalt, aber auf der Suche nach echtem Gefühl und Halt auf
dem Weg vom Kind- zum Erwachsensein.
Jene Gesellschaft, die solche Kinder heranzieht, tritt in dem
Stück nicht auf. Die Eltern werden nur akustisch bemerkbar
- wenn sie das Haus verlassen und wenn sie wiederkommen. Aber
sie bleiben dauernd präsent im Spiel der Kinder, die erschreckend
genau den sinnentleerten Party-Ton treffen und unbarmherzig die
Schwächen der Erwachsenenwelt parodieren.
Zauner Stück ist nicht naturalistisch, so beklemmend real
es auch manchmal erscheint. Die Sprache ist stark rhythmisch gegliedert,
die Handlung wechselt zwischen Spiel und Ernst, zwischen Traurigkeit
und hektischer Ausgelassenheit.
In einem Interview verrät Zauner einmal seine Arbeitsweise:
'Da muß zunächst einmal der Einfall stehen - das kann
eine Figur, das kann eine Situation sein. Man beschäftigt
sich mit einer Arbeit ein Jahr und länger, ehe man anfängt,
sie niederzuschreiben. Der Ausgangspunkt ist konkret, ist real,
erweckt das Interesse. Danach wird experimentiert, durchgespielt,
zunächst nur in Gedanken. Wie reagieren die Personen, wie
verändern sich dadurch die Gegenbenheiten... Man kann am
Beginn der Niederschrift noch nicht abschätzen, wohin der
Weg einen führen wird.'
Nach zahlreichen Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen
führte der Weg Zauner diesmal zu seinem ersten Bühnenstück,
zu "Spuk", welcher am 16. April 1971 in den Kammerspielen des
Linzer Landestheaters uraufgeführt wurde. Mit großem
Erfolg bei Publikum und Presse. "Spuk" ist seither immer wieder
nachgespielt und auch in eine Reihe von Sprachen übersetzt
worden.
Aus Mexico City, wo "Aquelarre" (wie "Spuk" in der spanischen
Fassung heißt) im Teatro del Granero über zwei Jahre
lang en suite gelaufen ist, erzählt die übersetzerin
Brigida Alexander folgende Anekdote: Ein Mädchen etwa im
Alter der Figuren im Stück, das seit einiger Zeit von ihren
Eltern getrennt gelebt und jeden Kontakt mit ihnen abgebrochen
hatte, besuchte zufällig diese Aufführung und sah darin
ihre Situation so genau widergespiegelt, daß sie spontan
ihre Eltern anrief und sie anflehte, sich "Aquelarre" ebenfalls
anzusehen. Es gelang ihnen, sich Karten zu besorgen. Nachdem sie
die Aufführung gesehen hatten, begannen sie ihre Tochter
besser zu verstehen, und man fand eine Basis, um wieder miteinander
zu reden.
Ein Märchen-Happyend, wenn schon nicht im Stück, so
wenigstens im realen Leben.