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Friedrich Ch. Zauner ist wohl einer der interessantesten Dramatiker Österreichs.
Im Innviertel als Sohn eines Faßbinders geboren, jetzt als freier Schriftsteller
auf dem Anwesen seines Vaters in Rainbach wohnend, ist Zauner kein realistischer,
auch kein absurder Dramatiker, sondern einer, der, wie er selbst meint, Parabeln
dramatisiert.
Aber: Mit Zauner bricht etwas Überraschendes in unsere
mitteleuropäische Dramatik ein. Überhaupt: Etwas Schweres, Dumpfes,
etwas Troglodytenhaftes ist um Zauner, eine gleichsam aus dem Archaikum in unsere
moderne, hochzivilisierte Gesellschaft eingeworfene Persönlichkeit, die durch
ihr Schaffen die aufregende Frage stellt, ob nicht gerade die Problematik unserer
modernen Zivilisation, die vielleicht auch auf eine Fehlentwicklung unseres Gehirns
hindeutet - wie Arthur Köstler in einem seiner letzten Bücher bemerkte
- in das Archaische zurückführt. Hinter diesem, seinem Mythos brechen
aber auch kosmische Erregungsfelder auf, mit ihnen die unserem Universum zugrundeliegende
eminente Tragik. Hat es jemals ein kosmischmagisches Ritualtheater um Leben, Tod
und Auferstehung in Stonehenge oder in Kreta oder sonstwo gegeben, so hat es vielleicht
einst Zauner gedichtet, vertont und inszeniert oder in ihm als dessen Hohepriester
agiert. Denn für Zauner ist Theater zuletzt 'Ritualereignis'. Und von diesem
Aspekt mag es gewisse Ähnlichkeiten zu Alfred Kubin geben. Nur: Die visionäre
Sichtigkeit Kubins wird bei Zauner zu einem gleichsam Dritten Auge, das nicht
gespenstische und jenseitige Bereiche, sondern an 'apokalyptischen Kern' unserer
so hoch zivilisierten Gesellschaft bloßlegt. So wird bei Zauner das 'Archaische'
zum verborgenen Erregungsfeld unserer Gesellschaft, das keineswegs überwunden
ist. Mehr noch, seine Dramatik führt zu einer pessimistischen Bestandsaufnahme:
Trotz Michelangelo, Shakespeare und Beethoven, trotz Dante und Goethe hat sich
der Mensch nicht verändert. Die Bestie in ihm lebt und lauert weiter.
"Kobe Beef", das mir als eines seiner bedeutendsten Stücke
erscheint, läßt nicht nur an Curzio Malapartes Roman 'Die Haut' denken,
an jene Szene, in der in Neapel auf einer Silberplatte eine 'Sirene in Mayonnaise'
General Cork und seinen Offizieren zum Diner serviert wird, sondern das Stück
Zauners enthüllt erneut, eben durch das Ritual des Kannibalismus, auf das
es zielt, daß das gesamte Leben unerlöst, unverändert in seinem
Wirklichkeitscharakter, auf die Vernichtung anderen Lebens aufgebaut ist. Ein
Moment, das bekanntlich schon August Strindberg zutiefst erschüttert hat.
Das Fressen ist zuletzt ein magischer Wandlungsprozess auf primitivster Ebene.
Es beginnt im Universum mit dem Verschlucken ganzer Sternennebel und steigert
sich in der menschlichen Gesellschaft vom ritualisierten kannibalischen Fressen
bis hinauf zum Heiligsten und Reinsten, zum Abendmahl Christi, das zugleich diesen
Akt in das Göttliche vergeistigt und überwindet. Oder anders gesehen,
unmittelbar auf unsere Gesellschaft bezogen: Wie in unserer modernen Gesellschaft
anstelle Christi das Atom mit all seinen Konsequenzen getreten ist, Hiroshima
statt der Bergpredigt, so hat unsere Zivilisation auch anstelle des Abendmahles
das Ritual des Menschenfressens gesetzt. Allerdings, nicht nur in den auf Sekten
beschränkten Bereichen satanischer Magie, sondern durch ihre abstrakte Intelligenz.
Mit anderen Worten: Die moderne Wissenschaft bereitet das 'Ritual der Totalvernichtung',
des Menschenopfers millionenfach vor. Nur: Die Menschen werden nicht 'gefressen',
sondern nach ungemein interessanten und komplizierten Formeln der Nuklearphysik
'zerstrahlt'. Darauf weist Zauners "Kobe Beef" auch hin.
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An einer Stelle dieses Stückes sagt eine der Figuren, überdies
eine der undurchsichtigsten und rätselhaftesten, nämlich der Pfarrer:
'Alles hat seinen Sinn, irgendwo.' Und tatsächlich, in allen zur Diskussion
gestellten Stücken ist scheinbar der Sinn, der Logos verloren. Gleich dem
Minotaurus steckt er irgendwo im Labyrinth des Seins. Aber er findet sich dann
doch 'irgendwo', nämlich dort, wo die Realität mit der Irrealität
konfrontiert wird. Diese 'archaische Dialektik', wenn man so sagen will, bestimmt
Zauners Trilogie, und sie wird, sieht man von dem sehr interessanten Stück
"Fiktion" ab, besonders in seinem Stück "Deserteure" dominant. Diese Dialektik
besagt: Setzt man das Irreale absolut, so wird auch das Reale - prallt es auf
das Irreale - irreal. Die Synthese liegt daher in einer irrealen Realität
oder in einer realen Irrealität, was zuletzt die Eigenart der Stücke
Zauners charakterisiert, und womit zugleich auch das Tor zu einem Sein hinter
unserem Sein aufgebrochen wird01
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Zauners Stücke
sind also vielschichtiger und abgründiger, als es zuerst erscheinen mag.
Sie sind nicht nur Parabeln, sondern 'Abstiege' in den dunklen Weltwillen Arthur
Schopenhauers. So dringt also mit Friedrich Ch. Zauners Dramatik das Urhafte des
Archaischen in die moderne Dramatik ein. Dieses Eindringen ist jedoch nicht immer
mit einem Schrei nach dem Licht verbunden, sondern sehr oft auch nach dem Schoßhaften
des Urmütterlichen. Von dorther kommt, wie ich glaube, nicht nur die Erlösung
für ihn, sondern das 'letzte und tiefste Eingeborgensein' in ein dumpfes,
zugleich aber auch unerschöpflich schöpferisches und unbestimmbares
Sein, das Zauner existentiell und als Dramatiker erregt.